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Warum brauchen Kinder Vitamin B12?

Vitamin B12 für Kinder

Vitamin B12 gehört zu den wichtigsten Nährstoffen für unsere Gesundheit. Das wertvolle Biomolekül kommt hauptsächlich in Fleisch und Fisch vor, sodass eine rein pflanzliche Ernährung zu einer langsam fortschreitenden Unterversorgung führt.

Laut aktuellen Statistiken weisen 45 Prozent aller Vegetarier und 75 Prozent der Veganer einen akuten Vitamin-B12-Mangel auf1. Da ein Nährstoffdefizit während der Schwangerschaft und der Stillzeit ernste Folgen für das Kind haben kann, sollten Frauen im gebärfähigen Alter Vorsorge treffen.

Was ist Vitamin B12?

Vitamin B12 stellt den Oberbegriff für mehrere metallorganische Verbindungen2 dar, die sogenannten Cobalamine. Bei diesen Molekülen handelt sich um die einzigen natürlich vorkommenden Stoffe, in denen ein Metall (Kobalt) eine direkte Bindung mit einem Kohlenstoffatom eingeht.

Das Kobaltatom sitzt in der Mitte einer ringförmigen Struktur, die von Chemikern als Corrinring bezeichnet wird. Als wichtigste Cobalamine für den Menschen gelten die biologisch aktiven Verbindungen Adenosylcobalamin und Methylcobalamin sowie die Speicherform Hydroxocobalamin.

Den lebensnotwendiger Vitalstoff kann der menschliche Körper nicht selbst herstellen, er muss ihn mit der Nahrung aufnehmen. In größeren Mengen findet man das wasserlösliche Biomolekül nur in Lebensmitteln tierischen Ursprungs.

Zu den besten Vitamin-B12-Lieferanten zählen Leber und Fischarten wie Bückling, Makrele, Hering und Thunfisch.

Welche Aufgaben übernimmt Vitamin B12 in unserem Organismus?

Im Körper ist Vitamin B12 an fünf wesentlichen Prozessen beteiligt:

  • Fettstoffwechsel (Aufbau von Zellmembranen und der Schutzschicht unserer Nerven3)
  • Energiestoffwechsel (Produktion von ATP4)
  • Herstellung von Hormonen und Botenstoffen (Neurotransmittern) im zentralen Nervensystem5
  • Zellteilung und Blutbildung (DNA-Synthese) 6
  • Entgiftung7

Ein Mangel an Vitamin B12 beeinflusst jeden dieser Bereiche und kann zahlreiche Beschwerden hervorrufen.

Auf welche Weise nimmt der Körper Vitamin B12 auf?

Um Vitamin B12 im Darm zu resorbieren, stehen unserem Organismus zwei Möglichkeiten zur Verfügung: die aktive und die passive Aufnahme. Die aktive Resorption wird durch ein Transportprotein bewerkstelligt, das die Bezeichnung Intrinsic Factor trägt.

Bis zu einem Prozent der zugeführten Vitamin-B12-Dosis gelangt ohne Mithilfe des Intrinsic Factor per Diffusion in die Blutbahn. Die passive Aufnahme erfolgt unabhängig davon, ob die betreffende Person an einer Erkrankung von Magen oder Darm leidet.

Diese Tatsache macht sich die orthomolekulare Medizin8 zunutze. Wer als chronisch Kranker ein hoch dosiertes Nahrungsergänzungsmittel mit 1000 Mikrogramm (µg) Vitamin B12 zuführt, nimmt durch passive Resorption etwa zehn Mikrogramm auf und kann somit seinen Tagesbedarf decken.

Wodurch entsteht ein Mangel an Vitamin B12

Ärzte kennen drei wesentliche Gründe, warum ein Vitamin-B12-Defizit auftritt: die zu geringe Zufuhr, ein höherer Bedarf sowie Aufnahmestörungen im Darm. Bei einer ungesunden oder einseitigen Ernährung kommt es mit der Zeit zu einer Vitamin-B12-Unterversorgung.

Dazu zählt ebenfalls eine vegetarische und vegane Lebensweise. Bei einer starken Belastung durch freie Radikale, Giftstoffe oder Stress haben die Betroffenen einen erhöhten Vitalstoffbedarf. Auch in der Schwangerschaft und der Stillzeit benötigen Frauen eine größere Menge an B12.

Im Falle einer Störung der Darmflora sowie bei Pilzen, Parasiten oder Darmentzündungen verringert sich die Resorption von Vitamin B12. Das Gleiche gilt für ein Defizit des Intrinsic Factor, der von den Belegzellen im Magen hergestellt wird.

Wenn die Magenschleimhaut durch eine chronische Entzündung (Gastritis) oder Medikamente gegen Sodbrennen (Säureblocker9) geschädigt ist, nimmt die Produktion an Intrinsic Factor ab. Blutgerinnungshemmer und Gichtmedikamente können ebenfalls die Herstellung des Transportproteins einschränken. Als Folge kommt es zu einem Mangel an Vitamin B12.

Vitamin-B12-Defizit bei Kindern

Die meisten der oben genannten Gründe beziehen sich auf Erwachsene. Bei Kindern tritt ein Vitamin-B12-Mangel hauptsächlich aufgrund einer ungesunden Ernährung und einer Darmfehlbesiedlung auf.

Wissenschaftler und Ernährungsexperten streiten bis heute darüber, wann ein Defizit an Vitamin B12 vorliegt. Der wesentliche Kritikpunkt besteht darin, dass der aktuelle Grenzwert von 200 Pikogramm pro Milliliter sehr niedrig angesetzt ist. Laut den Ergebnissen der Nationalen Verzehrstudie II erreichen trotzdem 26,1 Prozent der Frauen und 8,2 Prozent der Männer nicht die notwendigen Vitamin-B12-Werte.

Die Ergebnisse für Kinder und Jugendliche sind noch ungünstiger: In der Schweiz, Österreich und Deutschland leiden ein Drittel der Mädchen (33,5 Prozent) sowie 8,1 Prozent der Jungen zwischen 14 und 18 Jahren an einem Vitamin-B12-Mangel10.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat deshalb vor Kurzem die tägliche Mindestmenge für die Aufnahme von Vitamin B12 angepasst. Seit Februar 2019 gelten deutlich höhere Tagesdosen11.

Neue Referenzwerte für Vitamin B1212

  • bis 4 Monate: 0,5 µg
  • 4 – 12 Monate: 1,4 µg (0 – 12 Monate über die Muttermilch)
  • 1 – 4 Jahre: 1,5 µg
  • 4 – 7 Jahre: 2 µg
  • 7 – 10 Jahre: 2,5 µg
  • 10 – 13 Jahre: 3,5 µg
  • 13 – 15 Jahre: 4 µg
  • 15 – 19 Jahre: 4 µg
  • Erwachsene: 4 µg
  • Schwangere: 4,5 µg
  • stillende Mütter: 5,5 µg

Die Folgen eines Vitamin-B12-Mangels

Unsere Muskulatur und die Leber können bis zu 4000 Mikrogramm Vitamin B12 speichern. Diese Menge reicht für mehr als ein Jahr aus, sodass eine Vitamin-B12-arme Ernährung erst nach längerer Zeit zu gesundheitlichen Problemen führt. Anfangs treten zumeist unspezifische Symptome auf.

Dazu gehören Appetitlosigkeit, Erschöpfung, ständige Müdigkeit, Lustlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit, Nervosität, Infektanfälligkeit, eingerissene Mundwinkel, blasse Haut und Durchfälle.

Bei Kindern hemmt ein Vitamin-B12-Defizit zudem die gesunde körperliche Entwicklung13. Wenn der Mangel über längere Zeit unerkannt bleibt, kommt es oft zu dauerhaften neurologischen Schäden14. Unter diesem Begriff verstehen Ärzte Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks oder anderer Nerven im Körper.

Da Vitamin B12 einen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten hat, kann eine Unterversorgung bei Kindern und Jugendlichen die schulischen Leistungen beeinträchtigen15.

Aktuelle Forschungsergebnisse belegen: Ein Defizit an Vitamin B12 während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für das ungeborene Kind, im späteren Leben einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln16.

Wie lässt sich ein Vitamin-B12-Mangel verhindern?

Ausreichende Mengen des Nährstoffs gibt es ausschließlich in tierischen Produkten. Wer regelmäßig Fisch, Fleisch, Eier und Milch verzehrt, deckt problemlos seinen Vitamin-B12-Bedarf.

Die nachfolgend angegebenen Zahlenwerte in Mikrogramm beziehen sich jeweils auf 100 Gramm Lebensmittel.

Vitamin-B12-reiche Nahrungsmittel17

Lebensmittel mit Vitamin B12
  • Schweineleber (39 µg)
  • Hühnerleber (25 µg)
  • Austern (14,6 µg)
  • Bückling (9,7 µg)
  • Makrele (9 µg)
  • Hering (8,5 µg)
  • Thunfisch (4,25 µg)
  • Rotbarsch (3,8 µg)
  • Seelachs (3,5 µg)
  • Camembert (3,1 µg)
  • Edamer Käse (2,1 µg)
  • Rindfleisch (2 µg)
  • Hühnerei (1,86 µg)
  • Vollmilch (1,48) µg

Wenn Vegetarier regelmäßig Eier und Milchprodukte essen, erhalten sie genügend Vitamin B12. Anders sieht die Situation für Veganer aus. Da die Anhänger dieser Ernährungsform überhaupt keine tierischen Produkte zu sich nehmen, kommt es zu einem ständig fortschreitenden Vitamin-B12-Mangel.

Die Vegan Society empfiehlt deshalb18:

  • zwei oder drei Mal am Tag Nahrungsmittel zu verzehren, die mit mindestens drei Mikrogramm Vitamin B12 angereichert sind
  • oder täglich ein Nahrungsergänzungsmittel mit zehn Mikrogramm Vitamin B12 einzunehmen
  • oder einmal in der Woche 2000 Mikrogramm Vitamin B12 zuzuführen

In der Schwangerschaft wird der Embryo über die Placenta mit Vitamin B12 versorgt. Auch die Muttermilch enthält für den Säugling die notwendige Menge des wertvollen Nährstoffs. Wenn die Mutter einen Vitamin-B12-Mangel aufweist, wirkt sich das auf die Entwicklung des Kindes aus.

Wissenschaftliche Forschungsergebnisse belegen, dass gestillte Kinder von Veganerinnen oft zu wenig Vitamin B12 erhalten19. Die größte amerikanische Organisation auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaft, die Academy of Nutrition and Dietetics, gab im Jahr 2008 Richtlinien für Schwangere heraus.

Um die Kinder vor einer möglichen Unterversorgung zu bewahren, sollten vegetarisch oder vegan lebende Frauen während der Schwangerschaft und der Stillzeit ein Vitamin-B12-haltiges Nahrungsergänzungsmittel verwenden20.

Hinweis

Die Herstellung von Vitamin B12 in chemischen Labors hat sich als sehr aufwendig erwiesen. Aus diesem Grund produziert die Industrie den Vitalstoff heutzutage fast ausschließlich mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen. Da allen Nahrungsergänzungsmitteln nur das gereinigte Endprodukt zugefügt wird, ist eine Kennzeichnung nicht erforderlich21.

Fazit

Die Konzentration an Vitamin B12 im Blut wirkt sich auf zahlreiche Stoffwechselprozesse aus. Menschen, die nur selten tierische Produkte verzehren, riskieren einen Vitamin-B12-Mangel mit seinen gefährlichen Folgen.

Bei Kindern führt ein Defizit nicht selten zu Störungen der körperlichen Entwicklung und zu Schädigungen des Nervensystems. Denkprozesse, Gedächtnis und Lernen können ebenfalls beeinträchtigt werden.

Nach Ansicht der DGE ist deshalb eine vegane Ernährung für Kinder, Jugendliche, Schwangere und stillende Frauen nicht zu empfehlen22. Wer diese Lebensweise bevorzugt, sollte dauerhaft ein Vitamin-B12-haltiges Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.

Quellenverzeichnis

[1] https://www.vitaminb12.de/vitamin-b12-uebersicht/
[2] http://www.chemie.de/lexikon/Organometallchemie.html
[3] Miller A et al. Vitamin B12, demyelination, remyelination and repair in multiple sclerosis. J Neurol Sci. 2005 Jun 15;233(1-2):93-7.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Adenosintriphosphat
[5] Kennedy DO. B Vitamins and the Brain: Mechanisms, Dose and Efficacy – A Review. Nutrients. 2016 Feb;8(2):68.
[6] O’Leary F, Samman S. Vitamin B12 in Health and Disease. Nutrients. 2010 Mar;2(3):299-316.
[7] Zerbe NF, Wagner BK. Use of vitamin B12 in the treatment and prevention of nitroprusside-induced cyanide toxicity. Crit Care Med. 1993 Mar;21(3):465-7.
[8] https://www.naturheilkunde.de/naturheilverfahren/orthomolekulare-medizin.html
[9] https://reizdarm.one/medikamente/protonenpumpenhemmer/
[10] Max Rubner-Institut. Ergebnisbericht Teil 2 Nationale Verzehrstudie II. 2008: Tab. A. 44, Seite 255.
[11] https://www.dge.de/presse/pm/neuer-referenzwert-fuer-die-vitamin-b12-zufuhr/
[12] https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-b12/
[13] Rasmussen SA et al. Vitamin B12 deficiency in children and adolescents. J Pediatr. 2001 Jan;138(1):10-17.
[14] von Schenck U et al. Persistence of neurological damage induced by dietary vitamin B-12 deficiency in infancy. Arch Dis Child. 1997 Aug;77(2):137-9.
[15] Louwman MW et al. Signs of impaired cognitive function in adolescents with marginal cobalamin status. Am J Clin Nutr. 2000 Sep;72(3):762-9.
[16] University of Warwick. Maternal B12 deficiency may increase child's risk of type-2 diabetes. ScienceDaily 2016 Nov 7.
[17] http://www.vitalstoff-lexikon.de/Vitamin-B-Komplex/Cobalamin-Vitamin-B12-/Lebensmittel.html
[18] https://www.vegansociety.com/resources/nutrition-and-health/nutrients/vitamin-b12/what-every-vegan-should-know-about-vitamin-b12
[19] Institute of Medicine. Food and Nutrition Board. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK114302/ , Dietary Reference Intakes for Thiamin, Riboflavin, Niacin, Vitamin B6, Folate, Vitamin B12, Pantothenic Acid, Biotin, and Choline. Washington, DC: National Academy Press, 1998.
[20] Kaiser L, Allen LH. Position of the American Dietetic Association: nutrition and lifestyle for a healthy pregnancy outcome. J Am Diet Assoc. 2008 Mar;108(3):553-61.
[21] https://www.transgen.de/datenbank/zutaten/2082.vitamin-b12.html
[22] https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/dge-position/vegane-ernaehrung/

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Über den Autor
Dr. Jochen G. Opitz

Dr. Jochen G. Opitz ist Biochemiker, Doktor der Naturwissenschaften und arbeitet seit 18 Jahren als Heilpraktiker in eigener Praxis. Durch seine Ausbildung und Erfahrung schreibt er für unsere Leser sowohl aus Sicht der Naturheilkunde als auch der westlichen Medizin. Mehr Informationen zu unseren Autoren finden Sie auf der Seite Über uns
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