Ernährung Familie

Warum brauchen Schwangere und Kinder Folsäure?

Folsäure für Kinder und Schwangere

Als Mitglied der Gruppe von B-Vitaminen ist Folsäure an zahlreichen körpereigenen Prozessen beteiligt. Zu den natürlichen Lieferanten des wertvollen Nährstoffs zählen vor allem frisches Gemüse und Blattsalate.

Laut aktuellen Untersuchungen leiden in Deutschland 86 Prozent aller Frauen unter einem Folsäuremangel. Um die gesunde Entwicklung ihres Kindes von Anfang an sicherzustellen, sollte jede Frau mit Kinderwunsch ein folsäurehaltiges Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.

Folsäure – ein vielseitiger Nährstoff

Unser Körper kann Folsäure nicht selbst produzieren. Da der Organismus nur über eine geringe Speicherkapazität verfügt, müssen wir den lebenswichtigen Vitalstoff täglich mit der Nahrung aufnehmen. Das wasserlösliche Biomolekül ist ein Mitglied der Familie der B-Vitamine.

Einige Wissenschaftler nennen Folsäure deshalb Vitamin B9. Die früher üblichen Bezeichnungen Vitamin B11 und Vitamin M werden heute kaum noch verwendet. Der Begriff Folsäure leitet sich von dem lateinischen Wort folium (Blatt) ab. Er weist darauf hin, dass größere Mengen des wertvollen Nährstoffs in den grünen Blättern verschiedener Pflanzenarten vorkommen.

Ernährungswissenschaftler benutzen den Ausdruck Folsäure ausschließlich für die synthetisch hergestellte Form des Vitamins, die in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden ist. In Lebensmitteln tritt das Biomolekül nicht als Säure, sondern als Folat auf.

Unter diesem Sammelbegriff fassen Chemiker alle biologisch aktiven Abkömmlinge der Folsäure wie L-5-Methyltetrayhydrofolat (Methylfolat) und Tetrahydrofolat (Coenzym F) zusammen. Zur Vereinfachung wird diese Unterscheidung im Folgenden nicht gemacht, sondern abwechselnd die Bezeichnungen Folsäure und Folat verwendet.

Welche Aufgaben nimmt Folsäure im Körper wahr?

Als Partner von Vitamin B12 übt Folat wichtige Funktionen im Inneren unserer Zellen aus. Dazu zählen Blutbildung, Aufbau der Schleimhäute, Herstellung des Erbguts (DNA), Zellteilung sowie Eiweiß- und Fettstoffwechsel. Eine gute Vitalstoffversorgung stellt deshalb eine Grundvoraussetzung für unsere Gesundheit dar.

Um die Wirkung auf den menschlichen Organismus zu dokumentieren, führten Forscher mehrere klinische Studien mit Folsäure durch. Die Ergebnisse bestätigen die große Bedeutung des lebensnotwendigen Nährstoffs zur Vorbeugung von Krankheiten.

Ausreichend hohe Folatspiegel im Blut

  • reduzieren die Gefahr eines Schlaganfalls 1 2
  • wirken der Entstehung von Alzheimer und Demenz entgegen3
  • verringern das Risiko von Depressionen4
  • erhöhen die Fruchtbarkeit von Frauen5

Folsäurebedarf bei Erwachsenen und Kindern

Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse änderte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor Kurzem die Referenzwerte für die Aufnahme von Folsäure. Bei Erwachsenen wurde die bisherige Tagesmenge von 400 auf 300 Mikrogramm (µg) Folat-Äquivalente reduziert.

Was sind Folat-Äquivalente? Ernährungswissenschaftler führten diesen Begriff ein, um die unterschiedliche Aufnahme von natürlich vorkommenden Folaten und künstlich hergestellter Folsäure im Darm zu berücksichtigen. Beim Verzehr auf nüchternen Magen gilt:

1 µg Folatäquivalente entspricht 1 µg Nahrungsfolat oder 0,5 µg synthetische Folsäure6

Abhängig vom Lebensalter empfiehlt die DGE, täglich zwischen 120 und 300 Mikrogramm Folat mit der Nahrung aufzunehmen. Im Einzelnen wurden folgende Referenzwerte festgelegt:

Zufuhr von Folat-Äquivalenten pro Tag7

  • 0 bis 4 Monate: 60 µg
  • 4 bis 12 Monate: 80 µg
  • 1 bis 4 Jahre: 120 µg
  • 4 bis 7 Jahre: 140 µg
  • 7 bis 10 Jahre: 180 µg
  • 10 bis 13 Jahre: 240 µg
  • 13 bis 19 Jahre: 300 µg
  • Erwachsene: 300 µg
  • Schwangere: 550 µg
  • Stillende: 450 µg

Die Nationale Verzehrstudie II, die das Bundesforschungsministerium für Ernährung und Lebensmittel (Max Rubner-Institut) im Jahr 2008 durchführte, zeichnete ein dramatisches Bild: 85,8 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer erreichen in Deutschland nicht die erforderlichen Tagesmengen an Folsäure.

Bei den Jugendlichen sieht es kaum besser aus. Fast zwei Drittel der Jungen (65,9 %) und mehr als drei Viertel der Mädchen (77,8 %) leiden in Deutschland an einem Folatmangel8.

Wie entstehen Folsäuredefizite?

Nahrungsfolat ist hitze-, sauerstoff- und lichtempfindlich. Zudem löst sich der Nährstoff ausgezeichnet in Wasser. Durch intensives Waschen der rohen Lebensmittel sowie längere Kochzeiten gehen bis zu drei Viertel des Folsäuregehalts verloren. Industriell verarbeitete Nahrungsmittel enthalten fast kein Folat.

Eine ungesunde, einseitige Ernährung und der stark gesunkene Folsäuregehalt in Lebensmitteln aus dem Supermarkt stellen die wichtigsten Gründe für eine Unterversorgung bei Kindern dar. Krankheiten des Dünndarms, ein erhöhter Alkoholkonsum und Lebererkrankungen gelten als häufigste Ursachen eines Folatdefizits bei Erwachsenen9.

Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, hat einen höheren Bedarf an Folsäure. Dazu gehören Aspirin sowie bestimmte Antibiotika und Arzneimittel gegen Diabetes oder Bluthochdruck. Frauen benötigen vor allem dann größere Mengen des lebenswichtigen Vitalstoffs, wenn sie empfängnisverhütende Mittel einnehmen, schwanger sind oder stillen.

Welche Beschwerden treten bei einer Folsäure-Unterversorgung auf?

Ein beginnender Folsäuremangel macht sich in Form allgemeiner Symptome wie Appetitlosigkeit, Blässe, Stimmungsschwankungen und Vergesslichkeit bemerkbar. Da diese Anzeichen viele unterschiedliche Ursachen haben können, ist die exakte Diagnose schwierig.

Besteht das Defizit über längere Zeit, kommt es häufig zu einer Blutarmut, der sogenannten megaloblastären Anämie. Bei dieser Erkrankung tritt eine Zellteilungsstörung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) auf. Als Folge bilden sich wenige, extrem große Erythrozyten (Megalozyten) und deren Vorläuferzellen (Megaloblasten).

Folsäuremangel bei Kindern und Schwangeren

Ein Defizit an Folsäure während der Schwangerschaft kann bei dem ungeborenen Kind schwerwiegende Missbildungen hervorrufen. Gefürchtet sind sogenannte Neuralrohrdefekte wie Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildungen10 (LKGS-Fehlbildungen) oder ein offener Rücken (Spina bifida)11. Darüber hinaus steigt das Risiko einer Fehlgeburt12.

Ein Folatmangel in der Schwangerschaft trägt bei den Kindern zu einem vermehrten Auftreten von Autismus bei13. Auf der anderen Seite verringert eine gute Versorgung schwangerer Frauen mit Folsäure die Gefahr, dass der Nachwuchs mit einem Herzfehler zur Welt kommt14.

Defizite an Folsäure lassen sich vermeiden

Wie die weitverbreitete Mangelsituation in Deutschland zeigt, ist es für Erwachsene und Kinder schwierig, den Folsäurebedarf über die Nahrung zu decken. Im Folgenden sind diejenigen Lebensmittel mit dem höchsten Anteil des wertvollen Nährstoffs aufgelistet. Die Folat-Äquivalente in Mikrogramm beziehen sich auf 100 Gramm der Nahrungsmittel.

Lebensmittel mit einem hohen Folsäuregehalt15

Folsäure Lebensmittel
  • Kichererbsen 340 µg
  • Sojabohnen 210 µg
  • Speisekleie 195 µg
  • Grünkohl 187 µg
  • Rosenkohl 182 µg
  • Linsen 168 µg
  • Erbsen 151 µg
  • Spinat 145 µg
  • Feldsalat 145 µg
  • Schweineleber 136 µg
  • Blumenkohl 125 µg
  • Brokkoli 111 µg
  • Endivien 109 µg
  • Spargel 108 µg

Der Folsäuregehalt der Nahrung nimmt durch Lagerung, Kochen und industrielle Verarbeitung stark ab. Deshalb lassen sich die vom Körper resorbierten Mengen des Vitalstoffs schwer abschätzen. Wer möglichst viel Folat mit den Mahlzeiten aufnehmen will, sollte frische Gemüse und Salate aus ökologischem Anbau verwenden.

Um den Bedarf von Kindern zu decken, müsste jeden Tag ein großer Salat mit über 100g frischem Blattgrün, am besten in Bio-Qualität, auf dem Speiseplan stehen. Eine Mahlzeit mit gekochten Kichererbsen, Sojabohnen oder anderen Hülsenfrüchten unterstützt die Versorgung, reicht aber alleine nicht aus. In der Praxis stellt es sich als überaus schwierig dar, den Tagesbedarf rein über Lebensmittel zu erreichen.

Wer nicht regelmäßig ein Nahrungsergänzungsmittel verwendet, kann in Deutschland daher nur schwer ein Folatdefizit verhindern. Das gilt besonders auch für Schwangere, stillende Mütter und Personen mit einem erhöhten Folsäurebedarf.

Weltweit reichern 67 Länder handelsübliches Mehl mit synthetischer Folsäure an, um den Folsäuremangel in der Bevölkerung einzudämmen. Trotz der Forderung zahlreicher Ärzte und Gesundheitspolitiker, diese lebenswichtige Maßnahme auch in der EU durchzuführen, wurde bisher nichts unternommen16.

Überdosierung von künstlich hergestellter Folsäure

Personen, die eine Nahrungsergänzung einsetzen, sollten auf die Dosierung achten. Eine dauerhafte Überdosis an Folsäure verringert die Wirksamkeit von Vitamin B12 im Körper und kann einen Vitamin-B12-Mangel verschleiern.

Aus diesen Gründen legt die Nationale Gesundheitsbehörde der USA (National Institutes of Health) für die Zufuhr Maximalwerte fest. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gelten pro Tag folgende Folsäuremengen als unbedenklich17:

  • 1 bis 3 Jahre: 300 µg
  • 4 bis 8 Jahre: 400 µg
  • 9 bis 13 Jahre: 600 µg
  • 14 bis 18 Jahre: 800 µg
  • Erwachsene: 1.000 µg

Fazit

Folsäure und Vitamin B12 arbeiten bei vielen Stoffwechselprozessen eng zusammen. Liegt eine Unterversorgung mit einem der beiden Nährstoffe vor, wird dadurch auch die Funktion des Partners beeinflusst.

Ein Folsäuremangel werdender Mütter kann schwerwiegende Folgen für die ungeborenen Kinder haben. Neben Missbildungen des zentralen Nervensystems besteht ein erhöhtes Risiko für einen angeborenen Herzfehler, Autismus sowie das Auftreten einer Fehlgeburt.

Um dem weitverbreiteten Defizit an Folat bei Erwachsenen und Kindern vorzubeugen, ist es ratsam, täglich frische Blattsalate oder Gemüse zu verzehren. Schwangere und stillende Frauen sowie Menschen, die einen höheren Bedarf haben, sollten darüber hinaus ein Nahrungsergänzungsmittel mit synthetisch hergestellter Folsäure verwenden.

Quellenverzeichnis

[1] Huo Y et al. Efficacy of folic acid therapy in primary prevention of stroke among adults with hypertension in China: the CSPPT randomized clinical trial. JAMA. 2015 Apr 7;313(13):1325-35.
[2] House AA, Urquhart BL. Folic Acid for Stroke Prevention: Time to Revisit Vitamin Therapy in Patients With Kidney Disease. Am J Kidney Dis. 2015 Dec;66(6):942-4.
[3] Ravaglia G et al. Homocysteine and folate as risk factors for dementia and Alzheimer disease. Am J Clin Nutr. 2005 Sep;82(3):636-43.
[4] Morris MS et al. Depression and folate status in the US Population. Psychother Psychosom. 2003 Mar-Apr;72(2):80-7.
[5] Gaskins AJ et al. The impact of dietary folate intake on reproductive function in premenopausal women: a prospective cohort study. PLoS One. 2012;7(9):e46276.
[6] https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/folat/#aequivalente
[7] https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/folat/
[8] Max Rubner-Institut. Ergebnisbericht Teil 2 Nationale Verzehrstudie II. 2008: Tab. A. 43, Seite 254.
[9] Baenkler HW. Innere Medizin: 299 Synopsen, 611 Tabellen. Georg Thieme Verlag 2001; Seite 1340.
[10] https://www.dbl-ev.de/kommunikation-sprache-sprechen-stimme-schlucken/stoerungen-bei-kindern/stoerungsbereiche/komplexe-stoerungen/lippen-kiefer-gaumen-segel-fehlbildungen.html
[11] http://www.medizinfo.de/ernaehrung/schwanger/folsaeure.shtml
[12] Wilson RD et al. Pre-conceptional vitamin/folic acid supplementation 2007: the use of folic acid in combination with a multivitamin supplement for the prevention of neural tube defects and other congenital anomalies. J Obstet Gynaecol Can. 2007 Dec;29(12):1003-1013.
[13] Surén P et al. Association between maternal use of folic acid supplements and risk of autism spectrum disorders in children. JAMA. 2013 Feb 13;309(6):570-7.
[14] Liu S et al. Effect of Folic Acid Food Fortification in Canada on Congenital Heart Disease Subtypes. Circulation. 2016 Aug 30;134(9):647-55.
[15] http://www.vitalstoff-lexikon.de/Vitamin-B-Komplex/Folsaeure-Folat-/Lebensmittel.html
[16] http://bfr.bund.de/cm/350/Folsaeurevorsorge_der_deutschen_Bevoelkerung.pdf
[17] https://ods.od.nih.gov/factsheets/Folate-HealthProfessional/#h8

Diesen Beitrag teilen
Über den Autor
Dr. Jochen G. Opitz

Dr. Jochen G. Opitz ist Biochemiker, Doktor der Naturwissenschaften und arbeitet seit 18 Jahren als Heilpraktiker in eigener Praxis. Durch seine Ausbildung und Erfahrung schreibt er für unsere Leser sowohl aus Sicht der Naturheilkunde als auch der westlichen Medizin. Mehr Informationen zu unseren Autoren finden Sie auf der Seite Über uns
Wenn Sie Fragen an Dr. Jochen G. Opitz haben, kontaktieren Sie ihn bitte unter dieser E-Mail Adresse

Artikel Optionen
Erklärungen

Symptome

Hintergrundwissen

westliche Medizin

alternative Heilkunde

Hausmittel

Ernährung

* = Affiliatelink
Durch Klick auf diesen Link werden Sie zum Angebot auf einer Partnerseite weitergeleitet. Beim Kauf erhalten wir eine Provision. Der Preis ändert sich weder negativ noch positiv für Sie.